Ich habe ja schon etliche Beiträge darüber geschrieben, wie du am besten deine Wut oder deinen Ärger ausdrücken kannst – und wie wichtig das ist!
Denn unausgedrückter Ärger führt immer zu einer Distanzierung vom Partner. Und je mehr davon sich anhäuft, desto größer wird der Abstand.
Heute möchte ich einen weiteren Weg vorstellen, um Wut und Ärger auszudrücken:
Erzähl’s dem Stuhl!
Ich finde dieses Übung ganz hervorragend und nutze sie öfters mal
(an meine Nachbarn: Jetzt wisst ihr, was los ist, wenn ihr mich mal wieder ganz laut schreien hört! 😉 ).
Sie ist besonders geeignet, wenn der Mensch, auf den du wütend bist
– gerade nicht da ist und du die Sache mit ihm nicht persönlich klären kannst
– du Angst vor den Folgen dessen hast, dem Anderen deine Gefühle in ihrer ganzen Wucht mitzuteilen
– du für dich selbst vor dem Gespräch mit dem Anderen erst noch mehr Klarheit gewinnen willst, um was es für dich eigentlich geht
– du mit deinen Gefühlen überhaupt erst einmal oder noch mehr in Kontakt kommen willst
– besagter Andere dein bezauberndes Kleinkind ist, das du gerade aus dem Fenster werfen könntest, weil es dein Smartphone im Klo versenkt hat, und du nach einer kinderfreundlicheren Strategie suchst, um mit deinen Gefühlen fertigzuwerden
Wie es geht
Suche dir einen Ort, an dem du ungestört bist und stelle einen Stuhl oder ein anderes Sitzmöbel im Raum auf.
„Bewaffne“ dich mit Kissen.
Stell dir nun vor, dass der Mensch, der dich aufregt/ dem du jedes Haar einzeln ausreissen könntest/ der es deiner Ansicht nach verdient, geteert und gefedert zu werden vor dir auf diesem Stuhl sitzt.
Denke noch einmal an das, was er getan hat und weswegen du so wütend bist, und dann leg los.
Schrei es ihm ins Gesicht. Sag alles.
Unzensiert.
Wirf die Kissen nach ihm.
Tob dich richtig aus!
Wenn es dir hilft, kannst du dabei laute Musik anmachen.
Das Entscheidende bei dieser Übung ist, deine Gefühle körperlich durchzufühlen.
Konzentriere dich von daher hauptsächlich darauf, was in deinem Körper passiert.
Bevor du loslegst:
Wie atmest du?
Fühlst du irgendwo Anspannung?
Stehst du aufrecht oder zusammengezogen?
Wie fühlt es sich in deinem Magen an?
In deinen Schultern?
In deinem Kiefer?
Wenn du deine Wut ausdrückst:
Wird dir vielleicht heiß?
Zittern deine Arme oder Beine?
Was passiert im Magen?
Spürst du einen Kloß im Hals?
Wenn du deinem imaginären Gegenüber einige Dinge gesagt hast, dann atme kurz durch und lass einfach die dazugehörigen Körperreaktionen ablaufen.
Du wirst zum Beispiel merken, dass sich irgendwo etwas zusammenzieht oder du zitterst, beobachte das einfach, atme und warte ab, bis es sich verändert.
Tritt eine Entspannung ein?
Wenn nicht: Bist du schon alles losgeworden? Mach weiter damit, dem „Menschen“ auf dem Stuhl zu sagen, was dich belastet.
Dann mach wieder eine Pause und fühle, wie es dir geht.
Mach so lange weiter, bis deine Wut oder dein Ärger nachlassen.
Du wirst dies an einer körperlichen Entspannung merken.
Es kann sein, dass dir an diesem Punkt auch Tränen kommen und du merkst, welche Gefühle unter dem Ärger noch zum Vorschein kommen.
Nimm dir Zeit, auch diese Gefühle sein zu lassen und zu fühlen, bis sie von selbst nachlassen.
Ich merke bei dieser Übung oft, dass unter meinem Ärger noch etwas anderes gewesen ist.
Wenn ich wütend auf meinen Partner bin zum Beispiel, weil er einen Film anschaut, anstatt zu arbeiten, dann liegt bei mir darunter die Angst, nicht genug Einkommen zu erzielen.
Auf jeden Fall findet bei mir immer eine Art von innerer Sortierung und Klärung statt, durch die mir klarer wird, was genau in einer Situation das Thema ist, was ich mir wünsche und wie ich das am besten ansprechen kann.
Dazu kann gehören, dem Anderen meine Wut mitzuteilen, und manchmal auch nicht. Manchmal ist nur noch die Schicht darunter da – die für mich wesentlich einfacher mitzuteilen ist.
Dann spreche ich mit meinem Partner beispielsweise direkt über meine Angst.
Es geht bei dieser Übung nie darum, den Ärger oder die Wut zu rechtfertigen, sich hineinzusteigern oder sie „wahr zu machen“.
Sie soll vielmehr dabei helfen, die Wut hinter sich zu lassen und zu erkennen, was wirklich los ist.
Oft geht es nur darum, die Wut zu fühlen, und dann kann sie wieder gehen.
Manchmal geht es aber auch um etwas, was darunter liegt. Nur solange wir in dieser Wut-und-Ärger-Schicht feststecken, kommen wir nicht weiter.
Die Übung mit dem Stuhl ist wirklich super, dennoch gilt es eine Sache zu beachten:
Sie ist nicht so gut wie die Klärung mit dem Menschen, um den es geht.
Eine direkte Klärung hat immer den befreiendsten Effekt!
Ich erlebe oft, wie diese Klärung leichter wird, nachdem ich der betreffenden Person erst einmal imaginär und unter Kissenbeschuss meine Urteile an den Kopf geworfen habe und alles losgeworden bin.
Meine Gefühle sind dann nicht mehr so explosiv und wie gesagt, im günstigsten Fall weiß ich jetzt besser, was ich eigentlich wirklich will, und kann dies direkt mitteilen.
Es gibt aber natürlich Ausnahmen von dieser Regel.
Bei Zweijährigen, die Handys im Klo versenken, lasse ich die Stuhlmethode als gleichwertigen Ersatz für ein Gespräch gelten ;-).
Genauso wie in Situationen, in denen man sich wirklich in Gefahr oder schlimme Schwierigkeiten begäbe, wenn man seine ehrliche Meinung und Gefühle ausdrücken würde!
Es lohnt sich allerdings, in jedem Fall abzuwägen und sich selbst gegenüber ehrlich zu sein:
Gibt es in dieser Situation mit dem anderen Menschen wirklich nicht die Option einer persönlichen Klärung – oder traue ich mich nur einfach nicht an eine Klärung heran?
Falls du dich für eine Klärung entscheidest, beschreibe ich dir in diesem Artikel noch, worauf es sich empfiehlt zu achten, wenn du deinen Ärger thematisieren möchtest.
Diese Anleitung ist übrigens ein Auszug aus meinem Buch
„Sag’s ihm doch einfach! Steh zu deiner Wut und erneuere eure Liebe“, das du hier auf Amazon kaufen kannst.
Wie funktioniert das mit dem Ärger ausdrücken am besten für dich?
Hast du noch Fragen oder etwas, das du loswerden möchtest?
Du kannst mir gerne unten dein Feedback geben oder mir persönlich schreiben.
Ich freue mich darauf, von dir zu hören!
Viele Grüße,
Kendra Gettel
P.S: Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, dann teile ihn doch bitte über die sozialen Medien. Danke!
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Liebe Kendra 🙂
Schöner Artikel.Ich stelle fest, wir haben viele gemeinsame Schnittpunkte in unseren Ansichten 🙂 Es ist so wichtig, zu schauen, was tatsächlich hinter der Wut und dem Ärger steckt und andererseits diese Gefühle auch zu zulassen. Ärger udn Wut wird oft unterdrückt, als negativ bezeichnet -ich finde hinter diesem Emotionen steckt unglaublich viel Kraft und Potential – bevor sie umschlagen zu Zorn und Frust.
Von Herzen liebe Grüße
Veronika
Danke Veronika!
Dir auch liebe Grüße und ich freue mich auf die nächsten Artikel von dir! 🙂
Kendra