Coronastreit-Schlichtung: Lerne die Giraffenengel-Strategie

Wenn du die Geschichte „Covidiot“ gegen „Coronagläubigen“: Giraffenengels schwierigster Einsatz von letzter Woche gelesen hast, hast du erlebt, wie man zwischen den zwei derzeitigen „Coronalagern“, den Maßnahmenbefürworten und den Maßnahmengegnern, eine Brücke schlagen kann.

In diesem Beitrag erfährst du, welche Methodik der Giraffenengel zur Vermittlung zwischen den beiden Freundinnen Frieda und Klara benutzt hat. Dieses Hintergrundwissen kannst du einsetzen, um in der nächsten Diskussion selbst den Fokus besser halten zu können, eine Verbindung zu deinem Gesprächspartner zu bekommen und wirklich tragende Lösungsansätze zu entwickeln.

Was ich beschreibe, ist im Wesentlichen der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg entnommen.

Die wichtigsten Grundlagen

1. Unterscheidung zwischen Strategie und Bedürfnis

Was Menschen in ihrem Handeln antreibt, ist der Wunsch, bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen. Das einfachste Beispiel lautet: Wenn man Hunger hat, isst man etwas. Der Hunger ist das Bedürfnis.

Der Weg, den man aussucht, um ein Bedürfnis zu erfüllen, ist die jeweilige Strategie. Wenn ich Hunger habe, habe ich viele verschiedene Dinge zur Auswahl, die ich essen kann: Gemüse, Kartoffelchips, Würstchen, Pizza, Obst, Sahnetorte….

Das, was ich mir davon aussuche, ist dann meine persönliche Strategie gegen das Bedürfnis Hunger. Das Bedürfnis ist also etwas Abstraktes, die Strategie etwas Konkretes, nämlich die Handlungsweise, die mir mein Bedürfnis erfüllen soll.

Die Unterscheidung zwischen Bedürfnis und Strategie ist deshalb entscheidend, weil Konflikte in der Regel auf der Strategieebene entstehen. Bedürfnisse werden dagegen von allen Menschen geteilt. Als Beispiel: Alle Menschen kennen Hunger. Alle Menschen brauchen Essen. Da gibt es Einigkeit. Doch der eine bevorzugt Reis und der andere Kartoffeln.

Interessanterweise werden in Konflikten oft Strategien verteidigt, die für die Erfüllung der eigentlich Bedürfnissen gar nicht so geeignet sind. Das ist dann wie wenn man bei Heißhunger schnell einen Schokoriegel isst und hinterher merkt, dass man sich mit einem belegten Brot im Bauch wohler gefühlt hätte.

Meistens lässt sich erst dann eine wirklich erfüllende Strategie finden, wenn man sich bewusst gemacht hat, welche Bedürfnisse vorliegen und für welche von ihnen man gerade eine Strategie sucht.

2. Zunächst auf die Bedürfnisse schauen

Um eine Konflikt zu lösen, ist es daher der wichtigste Schritt, von der Strategieebene auf die Bedürfnisebene zu gehen. Auf der Bedürfnisebene wird das Gemeinsame, Verbindende deutlich, und wenn dieses Verbindende gesehen wird, ergeben sich passende Strategien bzw. man ist mit größerer Klarheit in der Lage, für beide Seiten passende Strategien zu finden.

Am Beispiel von Frieda und Klara lasst sich das gut nachvollziehen: Sie sind sich uneins, ob die Teilnahme an einer Demo eine gute Idee ist und ob die Maßnahmen gerechtfertigt sind – und befinden sich damit mitten im Konflikt auf der Strategieebene.

Der Giraffenengel steigt nun gar nicht erst auf diese Themen ein, sondern lenkt den Fokus auf die dahinterliegenden Bedürfnisse:

Frieda möchte die Gesundheit und das Leben von sich und anderen schützen (Schutz, Sicherheit) und sie möchte beitragen, mithelfen, ihrer Solidarität Ausdruck verleihen.

Klara möchte in Entscheidungen, die sie selbst massiv betreffen, mit einbezogen werden und den Freiraum haben, über ihr Leben selbst zu entscheiden. Auch sie möchte beitragen, dass es allen gut geht.

Mit dem Blick auf die Bedürfnisebene wird gleich ersichtlich, dass es eine Gemeinsamkeit gibt: Beide möchten zum Wohlergehen aller beitragen! Beide möchten Gesundheit und Wohlbefinden für sich, ihre Umgebung und darüber hinaus. Beide möchten ihren Teil tun, um dies zu erreichen.

3. Aus der Bewusstheit um die Bedürfnisse (wirklich) passende Strategien entwickeln

Wozu also der Konflikt?

Der Konflikt dreht sich letztlich „nur“ um die Frage, wie dieses Ziel von möglichst viel Gesundheit und Wohlbefinden für alle zu erreichen ist.

Für Frieda ist klar: Der Weg liegt darin, die Corona-Maßnahmen zu befolgen. Maske tragen, Abstand halten, soziale Kontakte einschränken etc.

Für Klara ist klar: Die ganzen Maßnahmen führen ihrerseits zu ganz viel Stress und Leid. Ihre Wirksamkeit zur Erhaltung von Gesundheit ist unklar. Es entsteht eine Vielzahl von Problemen wirtschaftlicher, psychischer, sozialer, kultureller und eben auch gesundheitlicher Art eben aufgrund der Maßnamen.

So wird das Verhalten beider Seiten verständlich.

Wenn ich davon ausgehe, dass Masken, Abstand etc. zur Gesunderhaltung beitragen, dann beteilige ich mich natürlich daran.

Und wenn ich davon überzeugt bin, dass der durch die Maßnahmen entstehende Schaden den Nutzen bei Weitem überwiegt, versuche ich, auf ihre Abschaffung hinzuwirken.

Offensichtlich, oder?

Aber lassen wir unsere Aufmerksamkeit noch einmal auf dem, was beide Seiten verbindet: Das Interesse daran, dass es allen gutgeht und dass Menschen möglichst lange und bei guter Gesundheit leben.

Aus dieser Bewusstheit des gemeinsamen Bedürfnisses kann man nun auf die Strategieebene gehen. Welche Strategien möchten wir entwickeln, um die maximale Gesundheit und das maximale Wohlbefinden der Menschen zu fördern?

Was brauchen Menschen, um möglichst lange und gesund zu leben? Welche Faktoren müssen wir dabei alle berücksichtigen? Körperliche, seelische? Die Umgebung? Den Stresslevel? Besondere belastende Situationen?

Vielleicht würde man weitere Fragen stellen wie:

Wie viel Anteil hat, wenn ich krank werde, der Kontakt mit einem Virus oder Bakterium, und wie viel Anteil hat der Zustand meines eigenen Immunsystems?

Wie kann man das Immunsystem stärken – und was schwächt es?

Wie entwickeln wir ein möglichst wirksames, stimmiges Gesamtkonzept?

Es gibt noch viele hervorragende Ideen, die wir gemeinsam entwickeln können und zu denen jeder mit seiner Intelligenz, Erfahrung und seinem Herz beitragen kann.

Was kommt dir in den Sinn? 🙂 Teile es gerne unten in den Kommentaren.

Frieda und Klara werden ihre Gespräche über Corona fortführen.

Hier findest du ihr ihre Diskussion zum Thema Maskenpflicht.

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Bildquelle: skeeze/ Pixabay

6 Comments

  1. I bookmarked a translation of this article in english and now I can’t find it. Do you still have it somewhere? The old bookmark was http://kendragettel.de/blog/2020/10/18/covidiot-vs-covidient-giraffe-angels-most-challenging-mission/

  2. Deine Idee, die Bedürfnisse zu erkunden und daraus eine dritten Weg zu finden gefällt mir sehr gut. Jedoch löst dies das eigentliche Problem nicht, weil es zu keinem Kompromiss führt.

    Für mich läuft Kommunikation dann gut, wenn ein Kompromiss entstehen kann. Bei der Eindämmung einer Pandemie gibt es keinen Kompromiss und deine Lösungsidee, das Stärken des Immunsystems, hilft vielleicht beim Krankheitsverlauf einzelner Leute. Aber auf keinem Fall hilft diese gefährliche Idee bei der Eindämmung der Ausbreitung von Corona und somit dem Schutz Aller. Kompromisse könnten nur alternative solidarische Schutzmassnahmen sein. Die aktuellen Massnahmen stellen bereits einen Kompromiss zwischen Lockdown und der Sorglosigkeit, wie Brasilien vorgelebt wird dar.

    Vielleicht folgen die Leute hier deinem Aufruf und finden realistische Lösungen. Bis dahin bleiben sämtliche Kompromisse lebensgefährlich.

    Liebe Grüße
    Armin

    • Danke für deine Rückmeldung, lieber Armin. Ich frage mich, ob das wirklich stimmt, dass kein Kompromiss möglich ist. Es muss einen dritten Weg geben, und ich vermute, Politik und Gesellschaft sind im Augenblick paralysiert, weil sie meinen, nur zwei Optionen zu haben: komplette und krasse Maßnahmen für alle oder „Brasilien“.
      Ganz banal: Bei der Bahn und im öffentlichen Nahverkehr Wagen für Risikogruppen anbieten, in denen es Masken und Abstand gibt, und Wagen ohne, für diejenigen, die gesund sind und gerne mal ihr Immunsystem trainieren.
      So wären ja diejenigen sicher, für die das wichtig ist, und diejenigen frei, denen das wiederum wichtig ist. So etwas auf dieser Basis? Lass uns nicht aufgeben. Wir sind kreativ, wir sind intelligent, und es gibt immer Wege, an die noch keiner gedacht hat.
      Oder: Homeoffice und Homeschooling ab sofort unkompliziert für alle Risikogruppen möglich. Jeder, der möchte, darf, aber keiner muss.
      Es dürfte einfach auf Dauer nicht konstruktiv sein, die ein oder andere Schiene „hardcore“ gegen den Willen eines beachtlichen Anteils der Menschen zu fahren.

      Was meinst du?

      Viele Grüße,
      Kendra

      • Liebe Kendra,
        wie wundervoll – deine Lösungsansätze für einen dritten Weg öffnen mein Herz und geben ganz viel Hoffnung!!
        Lasst uns alle mal um die Ecke denken.
        HG
        Silke

      • Hallo Kendra,

        Deine Ideen für einen dritten Weg klingen wunderbar einleuchtend und geben meiner Ansicht nach einen Anstoß in die richtige Denk-Richtung.
        Mit einem solchen dritten Weg erhielten die Menschen die Freiheit und die Verantwortung zurück, genau so weit für sich selbst und/oder andere zu sorgen und mit zu denken, wie es für sie, für ihre aktuelle Situation passt.

        Ich bin hier völlig eins mit Dir:
        „Es dürfte einfach auf Dauer nicht konstruktiv sein, die ein oder andere Schiene „hardcore“ gegen den Willen eines beachtlichen Anteils der Menschen zu fahren.“

        Viele Grüße,
        Daniela

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